Recht des letzten Wortes (vgl. BGH 2 StR 308/22 = HRRS 2023 Nr. 1279)

1. Nach einem Wiedereintritt in die Verhandlung muss das Gericht die Möglichkeit zu umfassenden Schlussvorträgen und das letzte Wort erneut gewähren, auch wenn er nur einen unwesentlichen Aspekt oder einen Teil der Anklagevorwürfe betrifft, weil jeder Wiedereintritt den vorangegangenen Ausführungen ihre rechtliche Bedeutung als Schlussvorträge und letztes Wort nimmt.

2. Ein Wiedereintritt in die Verhandlung kann durch eine ausdrückliche Erklärung des Vorsitzenden beziehungsweise des Gerichts oder stillschweigend geschehen. Für letzteres genügt jede Betätigung, in welcher der Wille des Gerichts, mit der Untersuchung und der Aburteilung fortzufahren, erkennbar zutage tritt, auch wenn das Gericht darin keine Wiedereröffnung der Verhandlung erblickt oder diese nicht beabsichtigt. Dies ist der Fall bei jedem Vorgang, der die gerichtliche Sachentscheidung auch nur mittelbar beeinflussen könnte, indem er eine tatsächliche oder rechtliche Bewertung des bisherigen Verfahrensergebnisses zum Ausdruck bringt. Auf Umfang und Bedeutung der nochmaligen Verhandlungen kommt es dabei nicht an. Ob ein Wiedereintritt vorliegt, richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Er kann auch darin liegen, dass Anträge erörtert werden, ohne dass ihnen letztlich stattgegeben wird.

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