Zur Beweiswürdigung in einer Aussage-gegen-Aussage-Konstellation (vgl. BGH 4 StR 148/23 = HRRS 2023 Nr. 1465)
Im Rahmen einer Aussage-gegen-Aussage-Konstellation zum eigentlichen Tatgeschehen gelten besondere Anforderungen an die Begründung und Darstellung der tatrichterlichen Überzeugungsbildung, wenn das Tatgericht seine Überzeugung allein auf die Angaben der Geschädigten stützt. Um dem Revisionsgericht in einem solchen Fall die sachlich-rechtliche Überprüfung der Beweiswürdigung zu ermöglichen, ist der entscheidende Teil der Aussage der einzigen Belastungszeugin in Form […]
Recht des letzten Wortes (vgl. BGH 2 StR 308/22 = HRRS 2023 Nr. 1279)
1. Nach einem Wiedereintritt in die Verhandlung muss das Gericht die Möglichkeit zu umfassenden Schlussvorträgen und das letzte Wort erneut gewähren, auch wenn er nur einen unwesentlichen Aspekt oder einen Teil der Anklagevorwürfe betrifft, weil jeder Wiedereintritt den vorangegangenen Ausführungen ihre rechtliche Bedeutung als Schlussvorträge und letztes Wort nimmt. 2. Ein Wiedereintritt in die Verhandlung […]
Zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gem. § 64 StGB (vgl. BGHSt 4 StR 457/22 – Beschluss vom 28.03.2023 = HRRS 2023 Nr. 699)
Für die Annahme eines Hangs i.S.d. § 64 StGB ist nach ständiger Rechtsprechung eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung ausreichend, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betreffende […]
Verfahrensübergreifende Verständigung im Strafprozess (vgl. BGHSt, 3 StR 310/21 – Beschluss vom 19.10.2022 = HRRS 2023 Nr. 24)
Das Gesetz schließt grundsätzlich „verfahrensübergreifende Gesamtlösungen“ aus, mithin Zusicherungen oder Absprachen über sonstige Prozesshandlungen, die ein anderes Strafverfahren betreffen. So ist etwa die Verständigung über die Einstellung nicht verfahrensgegenständlicher Taten nach § 154 StPO nicht zulässig.
Zum verbotenen Kraftfahrzeugrennen gem. § 315d StGB (vgl. BGHSt, 4 StR 377/21 – Urteil vom 18.08.2022 = HRRS 2022 Nr. 1147)
Ein Kraftfahrzeugführer, der ein Rennen gegen sich selbst i.S.d. § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB fährt, verwirklicht den Qualifikationstatbestand des § 315d Abs. 2 StGB in objektiver Hinsicht, wenn er durch sein Fahrverhalten während des Alleinrennens eine konkrete Gefahr für eines der genannten Individualrechtsgüter verursacht und zwischen seinem Verursachungsbeitrag und dem Gefährdungserfolg ein innerer […]
Strafbarkeit betrunkener Mitfahrer
Das Festhalten der Lenkstange eines E-Scooters stellt gem. einer Entscheidung des LG Oldenburg, Beschluss vom 07.11.2022 – 4 Qs 368/22 ein „Führen“ im Sinne des § 316 StGB dar, sodass auch einem betrunkenen Mitfahrer eines E-Scooters, welcher kurz die Hände an der Lenkstange gehabt habe und diese festgehalten hat, der Führerschein entzogen werden könne.
Unwirksamkeit eines mittels einfacher Email übermittelten Strafantrages
Ein Strafantrag kann nicht wirksam mit einer „einfachen“ Email ohne entsprechende qualifizierte elektronische Signatur angebracht werden, vgl. BGH, Beschluss vom 12.05.2022 – 5 StR 398/21.
Anforderungen an die Verfassungsgemäßheit erkennungsdienstlicher Maßnahmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.07.2022 – 2 BvR 54/22 = HRRS 2022 Nr. 862)
Die umfassende erkennungsdienstliche Behandlung eines Beschuldigten, dem eine Sachbeschädigung durch Graffiti vorgeworfen wird und der von Polizeibeamten auf Fotoaufnahmen eines Tatzeugen wiedererkannt wurde, verletzt diesen in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, soweit die Maßnahme – wie bei der Abnahme eines Zehnfinger- und Handflächenabdrucks – im Einzelfall für die Strafverfolgung bereits nicht geeignet ist, weil am […]
Anforderungen an die Voraussetzungen der Schuldunfähigkeit bzw. verminderten Schuldfähigkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 12.05.2022 – 5 StR 99/22)
Bei der Steuerungsfähigkeit geht es um die Fähigkeit, entsprechend der Unrechtseinsicht zu handeln, also um Hemmungsvermögen, Willenssteuerung und Entscheidungssteuerung, nicht aber um exekutive Handlungskontrolle. Entscheidend kommt es auf die motivationale Steuerungsfähigkeit an, also die Fähigkeit, das eigene Handeln auch bei starken Wünschen und Bedürfnissen normgerecht zu kontrollieren und die Ausführung normwidriger Motivationen zu hemmen. Steuerungsfähigkeit […]
Zum Begriff der sexuellen Handlung gem. § 184h StGB (vgl. BGH, Urteil vom 05.05.2022 – 3 StR 481/21 = NStZ-RR 2022, 244)
Der Begriff der sexuellen Handlung im Sinne von § 184h Nr. 1 StGB kann bereits unter Heranziehung ausschließlich objektiver Kriterien bestimmt werden, wenn die Tätigkeit objektiv, also allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild, einen eindeutigen Sexualbezug aufweist. Darüber hinaus können äußerlich ambivalente Handlungen dann als sexuelle Handlungen eingeordnet werden, wenn diese zwar für sich betrachtet […]